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Hypothermie = Unterkühlung (Absinken der Körpertemperatur unter den Referenzbereich)

Die Hypothermie ist eine häufige, oft übersehene und unterschätzte Komplikation bei Narkosen und Leichtnarkosen (Allgemeinanästhesien), die meist nur schwer zu bekämpfen ist. Während einer Anästhesie sinkt die Temperatur des Patienten aufgrund einer verringerten Muskelaktivität, einer verringerten Stoffwechselrate, einer dosisabhängigen Depression des Wärmeregulationszentrums durch die Narkosemittel und einer peripheren Gefässerweiterung (Vasodilatation).

Im nicht-narkotisierten Zustand setzen thermoregulatorische Maßnahmen bei Temperaturabweichungen von ca. 0,2° C ein, während diese unter der Anästhesie erst bei Abweichungen von 2 - 4° C auftreten. Der Körper reguliert nicht gegen, und es wird mehr Wärme abgegeben als produziert wird. Lange Narkosezeiten, niedrige Raumtemperaturen, kühle OP-Tische sowie Operationen an offenen Körperhöhlen tragen ebenfalls zur Verstärkung der Hypothermie bei.

Je nach Schweregrad kann die Hypothermie schwerwiegende Folgen für den Patienten haben oder auch zum Tod führen. Sie kann erheblichen Auswirkungen auf den Stoffwechsel, das Herz-/Kreislaufsystem, den Atmungsapparat sowie auf die Blutgerinnung haben.

 

Häufige Komplikationen im Zusammenhang mit einer Hypothermie:

  • Veränderte Medikamentenwirkung (Pharmakokinetik) von Anästhetika und Analgetika
  • Funktionsstörungen von Organsystemen
  • Erhöhte Infektionsanfälligkeit des Patienten
  • Verschlechterte Wundheilung
  • Veränderte Gerinnung
  • Verzögerte Aufwachphase
  • Verzögerte Genesung
  • Zittern führt zu einem gesteigerten Sauerstoffverbrauch und Unwohlsein/Schmerzen

 

Das höchste Risiko für ein rasches und massives Auskühlen während der Narkose haben Welpen und junge Patienten, geriatrische Patienten, Patienten mit geringem Fettanteil, Patienten, deren Körperhöhle während der Operation geöffnet wird, also auch Eingriffe an der Maulhöhle wie z.B. Zahnbehandlungen, sowie Katzen, kleine Hunde und kleine Säugetiere (= relativ große Körperoberfläche im Verhältnis zur Körpermasse).

 

Es ist in jedem Fall leichter, eine Hypothermie zu verhindern, als sie zu bekämpfen (=Erhaltung der Normaltemperatur ist sinnvoller als Aufwärmmaßnahmen)!

Bei jedem Patienten sollten frühzeitige Maßnahmen zur Minimierung des Temperaturabfalls ergriffen werden. Eine Wärmung des Tieres sollte deshalb bei jeder Anästhesie schon vor („Prewarming“ für 30 - 60 Minuten) oder direkt nach der Prämedikation beginnen.

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